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Historie

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Die Ritter von Meusebach


Ein altes Adelsgeschlecht, deren Vorfahren sogar an den Kreuzzügen teilgenommen hatten, besaß ein Rittergut in Tröbnitz. Das Wappen der Meusebacher zeigt einen Mohr mit weißem Stirnband, der ein weißes Pferd führt. Nach der Schilderung meines Großvaters hatte einer der Meusebacher Ritter einst den Migranten mit nach Tröbnitz gebracht, weil er ihn von seinem Lehnsherren als Dank für geleistete Dienste in einer siegreichen Schlacht erhalten hatte. Der so ungefragt entwurzelte Mohr soll angeblich bis zu seinem Tod in Tröbnitz gelebt und gearbeitet haben. Aber für diese Geschichte ist mir kein verbürgter Beleg bekannt. Er gab jedenfalls dem Gasthaus seinen Namen. Und er prägt seitdem das Wappen derer von Meusebach.
 

Umzug des Brauhauses an den neuen Standort


Benachbart zum Gut, direkt am linken Roda-Ufer betrieben die Meusebacher das ursprüngliche Tröbnitzer Brauhaus. Die Brautätigkeit soll hier angeblich im Jahre 1310 begonnen haben. Dieses Brauhaus wurde vom Schankwirt des Gasthauses zum Mohr, Johann Andreas Täubner, im Jahr 1809 gekauft, zusammen mit der Braugerechtigkeit und den Braugeräten. Weil das alte Brauhaus zu klein für einen ordentlichen Broterwerb war, wurde der Betrieb auf die andere Seite der Roda umquartiert, neben das „Gasthaus zum Mohr“, wo er noch heute steht. Hier widersprechen sich die Quellen, denn von der Brauerei wird das Jahr 1790 als Gründungsjahr für diesen Standort angegeben. Nach mehreren Vererbungen und Verkäufen gelangte der Hauptanteil an den Immobilien in den Besitz der Pragers. 1866 ließ der damalige Besitzer Adolf Prager einen großen Eis- und Bierkeller bauen. 1888 wurde oberhalb auf dem Berge ein neues Sudhaus errichtet. Die Tröbnitzer Brauerei hatte damit eine für die damalige Zeit schon recht stattliche Größe erreicht. Neben vielen anderen damals blühenden Gewerken in Tröbnitz – Mühle, Sägewerk, Streichholzfabrik – war die Brauerei ein wichtiger Arbeitgeber. Der Brauereibetrieb war damals noch verbunden mit umfangreicher Landwirtschaft.

 


 


Sortiment um 1913
   

 

 

1913 - Louis John


Nach dem Tod Adolf Pragers im Jahr 1913 gründeten dessen Erben eine GmbH – die „Brauerei Tröbnitz, vormals Adolf Prager GmbH“. Als Geschäftsführer wurde mein Urgroßvater Louis John eingesetzt. Er wurde am 21.09.1871 in der Patschmühle (nahe Stadtroda) geboren. Der gelernte Brauer leitete die Geschicke des Betriebes bis zu seinem Tod, durch zwei Weltkriege hindurch. Er war ein fleißiger Geschäftsmann, der aber auch zu Leben verstand. Mit seiner bildhübschen, 22 Jahre jüngeren zweiten Ehefrau ließ er sich oft in der Kutsche spazieren fahren. Der Herr Brauereidirektor hatte den Betrieb voll im Griff, legte aber überall mit Hand an, wo es nötig war. Deshalb lief er meist in schlichter Arbeitskleidung und mit "Hermsdorfer Schürze" durch die Brauerei (eine Latzschürze aus blauem Baumwollstoff, wie sie Holzarbeiter bei der Arbeit trugen). Wenn dann ein Geschäftspartner oder eine Amtsperson auftauchte und ihn fragte, wo denn der Herr Direktor zu finden sei, entgegnete er: „Der ist nicht da.“

Ich glaube, ich habe seine Ohren geerbt.

 

 


Die Brauerei um 1913

Louis Johns Meisterbrief aus dem Jahr 1888
 

 

 


Sortiment um 1925
   

 


 

1949 - Johannes John


Louis John hatte drei Söhne. Sein Wunsch war es, daß sein Sohn Werner die Brauerei nach seinem Tod übernehmen und leiten sollte. Entsprechend absolvierte Werner eine Lehre als Bierbrauer. Werner kehrte jedoch schwer verwundet aus dem Krieg zurück. Weil damals noch kein Penicillin verfügbar war und er einer Beinamputation nicht zugestimmt hatte, erlag er seiner Verletzung schließlich und starb 1946. Louis holte daraufhin mit väterlichem Machtwort Werners Bruder Johannes nach Tröbnitz. Johannes - mein Großvater - hatte ursprünglich nach dem Ende des Krieges eine Ausbildung als Lehrer in Dortmund beginnen wollen. Dem Wunsch seines Vaters gehorchend wurde er stattdessen Industriekaufmann und übernahm den Betrieb. Louis John starb 1949. Johannes John war damals 30 Jahre alt.
Als Direktor der Brauerei Tröbnitz vorm. Adolf Prager GmbH wurde Johannes John 1953 von den DDR-Behörden inhaftiert. Eine Verhandlung hat es dazu nie gegeben. Die Tröbnitzer Brauerei sollte damals in eine MTS (Maschinen-Traktoren-Station für die Landwirtschaft) umgewandelt werden. Dafür musste zuerst der Kopf des Betriebes weg. Der Volksaufstand am 17. Juni rettete meinen Großvater jedoch und er kam wieder frei. Die Gesellschaftsform der Brauerei wurde geändert und es wurde umfirmiert in nunmehr „Brauerei Tröbnitz, vormals Adolf Prager OHG“. Der Betrieb war noch immer privatwirtschaftlich geführt und nicht komplett in Volkseigentum überführt worden. Johannes John brachte das Wappen der Meusebacher in die Etiketten, nachdem er einen Druck des Wappens in guter Qualität entdeckt hatte.

 


Bier-Sortiment um 1960
 
     
 

Alkoholfreies um 1960
     


Bis zur Erfindung und Verbreitung von "Kältemaschinen" musste man sich in den Brauereien zur Kühlung des Brauprozesses anders behelfen. Spätestens mit dem Siegeszug des Pilseners wurden untergärige Biere immer beliebter. Untergärige Hefe verlangt jedoch nach niedrigeren Gärtemperaturen als obergärige. Diese Bedingungen konnten auch in tiefen Kellern ohne zusätzliche Kühlung im Sommer nicht eingehalten werden. In der Brauerei Tröbnitz war daher ein großer Eiskeller gebaut worden, in welchem im Winter das Eis vom Mühlteich in Geisenhain eingelagert wurde.

 

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Um ausreichend dickes Eis zu erhalten, wurden bei geschlossener Eidecke immer wieder kleine Löcher ins Eis gehackt, durch die Wasser nach oben dringen konnte. Die dann gefrierende Oberschicht verstärkte die Eisdecke. Irgendwie klappte es damals jedes Jahr, daß es zumindest ein paar Tage lang so kalt war, daß das Eis des Mühlteiches dick genug wurde, um die benötigten Blöcke zu sägen. Der Eiskeller in Tröbnitz wurde damit angefüllt, und über den ganzen Sommer diente das ablaufende Eiswasser zur Kühlung der Gärung.​

 


 

1960 - Bau der Mosterei

Unter Leitung von Johannes John wurde 1960 neben dem bestehenden Brauereibetrieb, angrenzend an die Mälzerei, zusätzlich die Mosterei errichtet. Diese Bezeichnung ist irreführend, aber so wurde das Objekt immer genannt. Zwar wurde auch schon lange vorher in der Brauerei aus den Gärten und Streuobstwiesen der Umgebung verschiedenstes Obst aufgekauft, vermostet und abgefüllt. Das geschah alles äußerst handwerklich, mit kleinen Saftpressen und 1000 l fassenden Tontöpfen, in denen der Most eingestellt wurde, also mit Wasser und Zucker trinkbar angerührt.
In dem neuen Gebäude jedoch wurden lediglich alkoholfreie Getränke aus Saftkonzentraten abgefüllt, nicht gemostet. 1960 suchten die DDR-Organe einen Ort zur Aufstellung einer hochmodernen neuen Abfüllanlage und boten dies Johannes John an. Weil er keine Mittel zur Investition in die Brautechnik erhielt, sah dieser darin eine Möglichkeit, die Zukunft des Betriebes zu sichern. Er nahm also an. Die Anlage wurde in dem eigens dafür errichteten neuen Gebäude aufgestellt und war die erste und modernste des Bezirkes Gera. Die hier abgefüllten kleinen Säfte und Limonaden in den charakteristischen 0,25 l-Flaschen fanden sofort reißenden Absatz und waren im ganzen Bezirk beliebt. Das Produktionsvolumen war für den kleinen Betrieb durchaus bemerkenswert. Die Anlage lief bis Anfang der 90er Jahre.
Mein Großvater schwärmte von dieser erfolgreichen Zeit, in der in dem Tröbnitzer Betrieb zeitweise über 20 verschiedene Getränke hergestellt wurden – Biere, Limonaden, „Selters“ und Säfte.
 

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1960 war mein Großvater gezwungen, eine staatliche Beteiligung von der Deutschen Investitionsbank Berlin aufzunehmen. Die Rechtsform wurde wiederum geändert, und der Betrieb hieß fortan „Tröbnitzer Kellerei KG“.
Mein Großvater und seine Frau Martha stellten grundsätzlich alle eigenen Bedürfnisse zugunsten des Betriebes zurück. Genau zweimal in ihrem Leben sind sie in den Urlaub gefahren - einmal 4 Tage in die nahe gelegene Meuschkensmühle, und einmal für 2 Wochen nach Schwerin.

Der traditionsreiche "Gasthof zum Mohr" in Tröbnitz, der als Brauereiausschank zur Brauerei gehörte, war mit seinem Saal und seinem Biergarten ein beliebter Anlaufpunkt in der Region. Zu Himmelfahrt gastierten hier regelmäßig viele hundert Menschen und genossen das speziell für diesen Anlass eingebraute Bier. Der Biergarten hatte etwa 100 Sitzplätze. Heute sind weder solch ein Ansturm, noch Gastronomie in solchem Umfang im ländlichen Raum denkbar. Auch beim Bockbieranstich ging es regelmäßig hoch her. Das Bier war wohl doch etwas stark geraten.
 

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Die merkwürdigen Mützen, die von den lustigen Zechern getragen werden, gehören zu einem zünftigen Bockbieranstich dazu.

Eine kleine Geschichte hat mir mein Großvater zum Bockbier noch erzählt. In Tröbnitz wurde nur heller Bock eingebraut. Ein Dorf - ich habe vergessen welches - weigerte sich jedoch, hellen Bock auszuschänken. Man verlangte ausschließlich dunklen Bock. Wenn also die Bockbierfässer zur Lieferung für dieses Dorf auf den LKW verladen waren, wurden die Spundlöcher der Fässer auf der Ladepritsche noch einmal geöffnet und in jedes Bockbierfass eine kleine Menge Zuckerkulör eingefüllt. Während des Transportes verteilte sich dieses durch die Erschütterungen gleichmäßig in den Fässern. Sicher nicht die feine Art, aber dieses Dorf bekam seinen Willen und als einziges Dunklen Tröbnitzer Bock.

 


Bier-Sortiment um 1965
 
   

Alkoholfreies um 1965
 
     

 


 

1968 - Die Schließung der Brauerei


Im Jahr 1968 kam der erste große Einschnitt. Die Brautätigkeit musste auf Beschluss der staatlichen Stellen hin eingestellt werden. Die Entscheidungsträger verfolgten die Strategie, für jeden Absatzbezirk nur eine größere Braustätte zu erhalten und dieser ein allein beherrschtes, festes Absatzgebiet zuzuteilen. Mit dieser Strategie sollte die Wirtschaftlichkeit verbessert und Investitionen gespart werden. Die kleinen Betriebe wie die Brauerei Tröbnitz, oder auch im Nachbarort die Klosterbrauerei Stadtroda, erhielten keine Bewilligungen und Mittel mehr für Ersatzinvestitionen und mussten den Braubetrieb einstellen. Den letzten Sud in der Brauerei Tröbnitz setzte laut eigener Aussage Rudi Schumann an. Das Bier, welches in Tröbnitz getrunken werden wollte, musste fortan von der Rosenbrauerei in Pößneck bezogen werden.

 


Tröbnitzer Bierdeckel
 
   

Tröbnitzer Biergläser
 
   

 

Die alten Gesellschafter der Brauerei waren inzwischen ausgezahlt worden, und aufgrund des Beschlusses des Präsidiums des Ministerrates der DDR vom 09.02.1972 erfolgte die Überführung der Firma Tröbnitzer Kellerei KG in den VEB Kelterei Tröbnitz. Gesellschafter waren Herr Johannes John und die Industrie- und Handelsbank der DDR.

 


1972
 
   

 


 

1974 - Verstaatlichung


Am 18. April 1974 wurde Johannes John ein zweites Mal von den DDR-Behörden inhaftiert. Der halbstaatliche Getränkebetrieb sollte ganz verstaatlicht werden, und dafür musste der Kopf wieder hinter Gitter. Man warf ihm die "Veruntreuung von Staatsgeldern" vor. Obwohl Betriebs- und Hausdurchsuchungen kein Ergebnis brachten, und obwohl der vom Gericht geladene Hauptbelastungszeuge ihn in der Verhandlung entlastete, wurde mein Großvater zu 2 1/2 Jahren Gefängis verurteilt. Wegen seiner "Verdienste als Betriebsleiter in der sozialistischen Produktion und seiner unbescholtenen Persönlichkeit" wurde er nach zwei Jahren Strafvollzug entlassen, aber der Staat hatte ihn gebrochen. In der DDR gab es wahre Meister in solchen Aufgaben. Es fällt schwer, sich die Äußerung zu verkneifen, man habe viel vom vorherigen Regime gelernt. Die ganze Aktion war eine perfekte Inszenierung. Die Abholung zur Haft von zu Hause im Dorfe Tröbnitz erfolgte mit viel Aufhebens mit zwei Dienstwagen, entsprechender Besetzung mit bewaffneten Beamten, plus Polizeihunden. So würde man einen Serienkiller inhaftieren. Zur Behandlung während der Haftzeit gehörten Dunkelzellen, Einzelhaft und Zellen, die so eng waren, daß Sitzen oder Liegen unmöglich waren. Er hatte den Glauben an sich selbst verloren. Erst nach der politischen Wende durfte er seine Rehabilitierung erleben und erhielt damit die offizielle Bestätigung, daß er zum Opfer von Willkür und Unrecht geworden war.
Nach dem Johannes John als Direktor des VEB ausschied, wurde der Betrieb 1974 dem VEB Getränkebetrieb Stadtroda als Produktionsabteilung zugeordnet. Zu diesem Zeitpunkt, als die Geschicke der Verwaltung an den neuen Mutterbetrieb übertragen wurden, müssen die Verwaltungsräume der ehemaligen Tröbnitzer Brauerei regelrecht geplündert worden sein. Umfangreiches Material, Akten, Archive, wurde vernichtet und mutwillig zerstört, wohl um die Erinnerungen an einen der letzten kapitalistischen Betriebe auszuradieren. Die Brauerei Tröbnitz war fest mit der Region und ihren Menschen verbunden. Viele Familien hatten in der Brauerei gearbeitet, teilweise über Generationen. Die Kleingärtner und Bauern der Umgebung brachten ihr Obst in die Mosterei. Die Gaststätten der umliegenden Dörfer schänkten das Tröbnitzer Bier aus. Die Schließung der Brauerei stieß nicht auf Begeisterung in der Bevölkerung. Diese Aktenvernichtung begründet, warum uns so gut wie kein Material zur Geschichte des Betriebes mehr vorliegt. Die hier gezeigten Etiketten und Fotografien stammen von anderen Sammlern und wurden über öffentliche Auktionen gefunden.
Das Bild der Produkte änderte sich. Der Schriftzug "Tröbnitzer" durfte auf den Etiketten nicht mehr verwendet werden. Individuelle Produkte waren nicht erwünscht. Die Etiketten wurden DDR-gemäß vereinheitlicht.

 


1974
 
   

 

Unter der Kombinatsleitung wurde schließlich auch der Mostereibetrieb eingestellt, und bis zur Wende wurden lediglich alkoholfreie Getränke ohne CO2 abgefüllt, Säfte und Nektare in 0,25 l Glasflaschen. Beliebt waren der Apfelsaft, das Orangen-Getränk und das Zitrus-Getränk. Ab und zu gab es je nach Verfügbarkeit auch Traubensaft, ein Ananas-Getränk, Rhabarber-Süßmost oder das prämierte Birne-Orange.

 


1985
 
     

 

Während dieser Zeit arbeiteten in dem Betrieb noch über 20 Menschen, und mein Großvater schwärmte uns Kindern immer von der guten alten Zeit vor und träumte davon, seinen Betrieb einmal zurück zu erhalten. Wir belächelten das, denn uns wurde in der Schule ja überdeutlich erklärt, daß die Produktionsmittel in den Händen des Volkes und der Sozialismus der Fortschritt sind. In der Geschichte gibt es schließlich kein Zurück. Dann kam die Wende.

 


kurz vor der Wende
 
     

 


 

1990 - Reprivatisierung


Es lässt sich schwer beschreiben, welcher Enthusiasmus, welche Energie und welche Pläne sich in den Köpfen entwickelten. Plötzlich sollte wieder ALLES möglich sein. Und niemand wusste, was die Zukunft bringen würde. Mein Großvater beantragte die Ausgliederung seines alten Betriebes aus dem Kombinat und Reprivatisierung. Das bedeutete nicht etwa, daß die enteigneten Rechte zurück übertragen wurden, sondern daß ihm das Recht eingeräumt wurde, den Betrieb zu den Konditionen von 1973 von der Treuhand zurückzukaufen. Es wurde der damalige Bilanzwert als Kaufpreis angesetzt und eine Ratenzahlung vereinbart. An diesen Raten zahlt meine Mutter lange nach dem Tod meines Großvaters noch heute (2015), und es ist noch lange kein Ende in Sicht, ich werde das weiter tragen müssen. Mit etwas mehr Wissen wäre damals kein Mensch eine solche Vereinbarung eingegangen. Wir zahlen diese Reprivatisierung über drei Generationen ab. Überall in der Umgebung gingen dagegen noch viel größere Objekte für eine symbolische DM an Investoren aus dem Westen. Schließlich litten alle Maschinen und Anlagen unter einem Investitionsrückstau von über 25 Jahren. In die Gebäude war seit 1974 keine Reparaturleistung oder Maßnahme zur Erhaltung geflossen. Alles war dem Verfall preisgegeben. Auf mehrere dringende Hinweise zum Verfall der Immobilien in der Zeit zwischen 1974 und 1989 antwortete der damals zuständige Stadtrodaer Direktor Berthold Schreiter wörtlich, seine Aufgabe wäre es, Limonaden herzustellen und nicht Gebäude zu erhalten.

Kurz gesagt – reprivatisiert wurde ein teurer Trümmerhaufen.

Am 01.06.1990 wurde also die Tröbnitzer Getränke GmbH gegründet. Johannes John war damals bereits 71 Jahre alt. Also wurde seine Tochter Margit Meißner als Geschäftsführerin eingesetzt, die eigentlich Gartenbau-Ingenieurin war. Sämtliche Brauerei-Anlagen waren 1968 verschrottet und entsorgt worden. Auch Saftpressen und Kellereigerät waren nicht mehr vorhanden. Aber die Abfüllanlage für 0,25 l Säfte war noch in Betrieb. Zunächst lief alles noch auf Hochtouren. Sämtliche Mitarbeiter wurden übernommen, die Produktion lief an der Kapazitätsgrenze, und alle alten Absatzkanäle wurden bedient. Mein Großvater kaufte voller Enthusiasmus noch tonnenweise Neuglas – mehrere Paletten mit den charakteristischen 0,25 l Glasflaschen. Am 01.07.1990 wurde die DM eingeführt. Und mit diesem Tag war alles vorbei.
 

Währungsunion am 01.07.1990


Ab diesem Termin waren in sämtlichen Handelseinrichtungen des Ostens auch Produkte aus westlicher Produktion erhältlich. Es ist verständlich, daß niemand mehr die gleichen Sachen kaufen wollte, die seit 25 Jahren in sehr beschränkter Auswahl und in Beschaffenheit und Aussehen unverändert angeboten worden waren. Endlich gab es alles. Die Handelseinrichtungen blieben auf den Tröbnitzer Erzeugnissen sitzen.
Es wurde alles versucht, um diese Situation zu überleben. Wir glaubten an eine Rückkehr des Konsums zu den einheimischen Produkten. Die Mitarbeiter wurden in Kurzarbeit geschickt. Statt täglich, wurde die Produktionsanlage ab sofort nur noch einen Tag im Monat in Betrieb genommen. Handelsbetriebe versprachen, die Tröbnitzer Produkte weiter zu listen, wenn das Aussehen überarbeitet würde. Es wurden neue Etiketten entwickelt und gedruckt (die aus meiner Sicht zugegeben im Design völlig daneben waren). Es wurden tonnenweise Kronkorken zweifarbig bedruckt – mit der roten Aufschrift „Tröbnitzer Getränke“ und dem roten Wappen der Meusebacher auf weißem Grund. Es half nichts. Die Kronkorken und das Neuglas wurden bald darauf tonnenweise entsorgt.

Um überhaupt überleben zu können wurde begonnen, mit den vorhandenen LKW selbst Erzeugnisse aus westlichen Betrieben in den Osten zu holen und hier als Großhandelsbetrieb zu vertreiben. Es entstanden viele Geschäftskontakte und Freundschaften. Aus den Erfahrungen ähnlicher Betriebe im Westgebiet reiften mehrere Erkenntnisse und Entscheidungen. Eine Produktionsanlage der vorhandenen Kapazität mit 20 Mitarbeitern war nicht wettbewerbsfähig. Die gleichen Kapazitäten wurden im Westgebiet mit modernen Anlagen mit 3 Mitarbeitern erzeugt. Johannes John und Margit Meißner holten sich ein Angebot des Anlagenherstellers Holstein & Kappert für eine modernere Produktionsanlage ein – und legten die Ohren an. Unfinanzierbar. Es stand die Frage an, eine Beteiligung eines westdeutschen Investors aufzunehmen, um die Investitionen zu ermöglichen, die für eine Weiterführung der Produktion unumgänglich waren. Der Familienrat entschied sich jedoch dagegen, die gerade zurückgewonnene Selbstständigkeit gleich wieder aufzugeben.
 

Einstellung der Produktion


Es wurde weiter und lange verbissen versucht, die Talsohle zu überleben. Der selbst aufgebaute Handel mit „Westprodukten“ entwickelte sich kometenhaft. Das Interesse an den eigenen Produkten kam jedoch bei den Käufern nicht zurück. Die Kosten, die der Erhalt der Produktionsanlagen auf Sparflamme verursachte, türmten sich zu Gebirgen von Schulden auf. Der sich entwickelnde Handel verlangte aber nach Investitionen. Irgendwann fiel die schwere Entscheidung, die Produktion ganz einzustellen.

Die Gebäude der Mosterei und der Mälzerei wurden verkauft, weil sie für den Handel nicht gebraucht wurden. Ich erinnere mich, wie wir im Keller unter der Mälzerei die Fruchtkonzentrate aus den Tanks in die Kanalisation ablassen mussten. Vom Erlös der Immobilienverkäufe wurden umfangreiche Umbauten an den alten Gebäuden vorgenommen. In den alten Gärkeller der Brauerei wurden ein Mauerdurchbruch und eine ebenerdige Einfahrt-Schneise eingebracht, der Brauereihof in der Hauptstraße 7 wurde betoniert. Es wurde die alte Substanz so gut es ging an die Arbeit mit Gabelstapler und LKW angepasst. So wurde der Großhandel mit Getränken in den alten Brauereiräumen ermöglicht.

 


Hauptstraße 7 um 2003
 
 

 

Bis 1995 erlebte die ostdeutsche Wirtschaft einen echten Boom. Der Traum von den blühenden Landschaften schien sich zu erfüllen. Doch bald relativierte sich alles. Die Wachstumszahlen brachen ein, der Kostendruck stieg, und die 25 Jahre Rückstand gegenüber westdeutschen Mitbewerbern holte die verbliebenen Ostbetriebe wieder ein, sofern sie nicht auf neuestem Stand waren. Auch die Tröbnitzer Getränkehandel GmbH – die neuerliche Namensänderung war nach der Einstellung der Produktion gefordert worden – blieb mit ihren verwinkelten alten Brauereiräumen kostenseitig immer weiter zurück hinter Mitbewerbern, die große Hallen auf der grünen Wiese errichtet hatten. Johannes John starb 1994. Er trug noch alle schweren ersten Entscheidungen der Nachwendezeit mit, musste aber die schweren Probleme Ende der 90er und Anfang der Nuller Jahre nicht mehr erleben.
 

 


 

2007 - Neugründung und Umzug ins Gewerbegebiet


Wegen der Unbeweglichkeit der Finanzierer des Betriebes und der Belastungen durch Altlasten und Reprivatisierung gründete ich 2007 neu die Tröbnitzer Getränkehandel Meißner KG, parallel zum alten Betrieb. Im Gewerbegebiet Lehmbergtal in Tröbnitz wurde eine leerstehende Halle erworben und der Großhandelsbterieb zog im November 2007 um, heraus aus den alten Kellern.

 


Umzug 2007
 
     


Anfangs gab es große Schwierigkeiten. Gelände und Halle mussten erst an die Anforderungen eines Getränkegroßhandels angepasst werden. Stapler und LKW versanken im Schlamm des Lehmbergtales, und die Halle hatte keine Dämmung. Aber bald war auch das überwunden und bis heute arbeiten wir hier mit wachsendem Erfolg.
 

Internet Versandhandel Beowein


Ende 2006 begannen wir mit dem Internetversand. Unter unserer Eigenmarke "Beo" vertrieben wir damals noch Fruchtweine, Säfte und Met. Um die in unserer Region sehr erfolgreichen Fruchtweine bundesweit anzubieten, eröffneten wir unseren Online-Shop unter www.beowein.de. Die allerersten Pakete wurden noch direkt im Büro auf dem Schreibtisch gepackt.

Unsere Fruchtweine wurden in einer kleinen Kellerei in Rheinland-Pfalz nach unseren Vorgaben gekeltert. Leider kam der Kellermeister bei einem Arbeitsunfall auf tragische Weise ums Leben. Seine Familie entschied daraufhin, die Produktion einzustellen. Bis heute haben wir keine Kellerei gefunden, die unsere Fruchtweine in der gewünschten Qualität und im vergleichbaren Preis-Leistungsverhältnis herstellen kann. Was blieb war jedoch der Onlineshop, der sich rasant entwickelte. Bald verschob sich das Gewicht des Angebotes immer mehr in Richtung feiner Whiskys.

2012 besuchte uns Bob Bales, der auf das Whisky-Angebot aufmerksam geworden war. Es entwickelte sich schnell eine enge Freundschaft und Zusammenarbeit. Bob stellte den direkten Kontakt zu vielen schottischen Whisky-Herstellern her, lud mich ins Auto und fuhr mit mir in viele Destillerien. 2014 begannen wir, gemeinsam die Tarona Whisky Messe in Erfurt zu veranstalten.

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Christian Meißner


In der Chronik der Brauerei Tröbnitz und in den Quellen dazu finden sich mehrfach widersprüchliche Daten. Ich versuche hier, aus dem mir zugänglichen Material eine Zusammenfassung zu liefern. Ich bin für jegliches Material und alle Hinweise dankbar!

Quellen:
Hartmut Liebe: Aus der Geschichte des Dorfes Tröbnitz
Reinhild Seitz: Buch der Familie